„Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sondern folgen allein den Gefühlen“. Angela Merkel scheint verblüfft zu sein, als sie nach der für die CDU desaströsen Wahl in Berlin das Wahlergebnis mit diesen Worten kommentiert. Und ich bin verblüfft, dass ihr dieses Phänomen jetzt erst auffällt.
Postfaktisch ist an allem schuld!?
Plötzlich sprechen alle über Postfaktisch. Donald Trump? Natürlich Postfaktisch. Der Brexit? Klar! Die AfD sowieso. Allein die Art und Weise, wie diese Diskussionen stattfinden stören mich gehörig. Denn sie scheinen mir doch all zu arrogant und abgehoben zu sein.
Postfaktisch als Entschuldigung für den eigenen Misserfolg
Das angebliche Postfaktische Zeitalter wird als Erklärung für den eigenen Misserfolg genommen und gleichzeitig all die Menschen, die scheinbar auf postfaktische Demagogen hereinfallen, als minderbemittelt abgestempelt. Zuerst hat man diese Menschen nicht ernst genommen – man erinnere sich an das Gelächter über Donald Trump im Juni 2015 und wie über die AfD noch vor einiger Zeit gesprochen wurde. Nun hat man Angst vor ihnen.
Wir machen es den Demagogen leicht!
Das macht mich wütend! Denn wenn ich mir anschaue, wie viele der angeblich evidenzbasierten Politiker ihre Ideen, Pläne und Forderungen erklären, bleibt nur ein Schluss: Sie sind selbst schuld! An diese Politiker: Die Art, wie Ihr mit den Menschen sprecht, ist derartig schlecht, dass Ihr es Leuten wie Donald Trump, Boris Johnson und den AfDlern so richtig leicht macht. Wir alle sind schuld, wenn wir haben viel zu lange Politik im emotionslosen Merkel-Stil gebilligt.
Die Macht der Gefühle
Jetzt werden Gefühle als schlecht dargestellt. Und zwar nur, weil Ihr keine zeigt! Im klassischen Marketing ist schon seit langer, langer Zeit die Bedeutung von Gefühlen klar. Es gibt mit dem Neuromarketing sogar einen ganzen Marketingzweig, der davon ausgeht, dass es ausschließlich Gefühle sind, die unsere Entscheidungen leiten. Demnach sei das limibische System im Gehirn nicht nur Zentrum der Gefühle, sondern auch die Entscheidungszentrale. Im Neocortex dagegen seien Erinnerungen, Fakten und die Vernunft angesiedelt – also getrennt von den Entscheidungen, die wir treffen. Ich bin kein Neurologe und wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, merkt man, dass es nicht ganz so eindeutig zu sein scheint, wie es von manchen Marketinggurus dargestellt wird. Aber klar ist wohl: Gefühle sind eine extrem wichtige Basis für unsere Entscheidungen
Gefühle positiv einsetzen!
Wenn wir jetzt die Gefühle verdammen, machen wir es also nur noch schlimmer. Die Lösung kann also nur sein: Wenn andere Gefühle für ihre negativen Ziele missbrauchen, müssen wir sie positiv einsetzen. Wenn wir Fakten mit Gefühlen verbinden, werden wir unsere Fakten auch wieder besser durchsetzen. In einem Seminar in der vergangenen Woche hat eine Teilnehmerin gesagt: Wir brauchen einen positiven Populismus! Ich kann mich dem nur anschließen.