Nach einem verlorenen Wahlkampf herrscht in manchen Wahlkampfteams und bei vielen Kandidat:innen Katerstimmung. Niemand verliert gerne. Und deshalb plagt viele die Frage: Warum ist es schiefgegangen? Warum habe ich die Wahl verloren? Meine Erfahrungen aus unzähligen Wahlkämpfen in den letzten Jahren zeigt: Es sind oft diese sieben hausgemachten Gründe.
Externe Faktoren
Vorneweg: Ja, es gibt oft auch externe Faktoren, die wir kaum oder gar nicht beeinflussen können. Um diese soll es hier aber nicht gehen. Strukturelle Mehrheiten, Gegenwind aus der nächsten Ebene, große Krisen – oder vielleicht einfach Mitbewerbende, die besser sind. Ja, auch das gibt es. Und wenn Du nach einer ehrlichen Analyse und Selbstkritik feststellst, dass es an so einem externen Grund lag – dann mach Dir keinen Kopf. Aber vielleicht trifft einer der folgenden Gründe ja auch auf Dich zu?
Die sieben häufigsten hausgemachten Gründe für eine verlorene Wahl
Viele Wahlkämpfer:innen werden geradezu ins kalte Wasser geworfen und nur wenige haben sich mit dem Thema vorher professionell auseinandersetzen können. Dennoch investieren sie viel Zeit und Herzblut. Deshalb möchte ich die größten Stolperfallen aufzeigen.
1. Zu kurze Vorbereitungszeit
Ich habe dieses Jahr eine Anfrage bekommen, ob ich eine Landtagskandidatur in Niedersachsen begleiten könne. Die Anfrage hat mich Mitte August erreicht – und die Wahl war am 9. Oktober. Ich habe abgelehnt. Und ich habe sogar schon schlimmeres erlebt. Es scheint einen Trend zu geben, immer kurzfristiger planen und arbeiten zu wollen. Und manche reden sich das mit “Schnellen, harten Wahlkämpfen” dann noch schön.
Überzeugungsarbeit benötigt Zeit. Für neue Kandidat:innen sollte mindestens 10 Monate vor dem Wahltag die Vorbereitung beginnen, besser früher. Und spätestens ein halbes Jahr vorher solltest Du anfangen, Deinen Bekanntheitsgrad zu steigern und ein Profil aufzubauen.
2. Keine echten Inhalte, kein brennender Grund
Ich sag’ es ganz offen: Wer für ein politisches Amt kandidiert, sollte für mindestens ein Thema brennen und einen unbedingten Willen haben, etwas zu bewegen. Politik darf keinen Selbstzweck haben. Es reicht nicht aus, das Amt toll zu finden. Es reicht nicht, „gerne mit Menschen zu arbeiten“. Wie soll das bitte irgendjemand überzeugen? Und hört dann bitte auf mit der Ausrede, Menschen würden heute keine Inhalte mehr wollen. Die Menschen sehnen sich nach Inhalten!
Nicht jeder ist Expert:in für ein Thema, das ist völlig ok. Wenn Du keine Inhalte hast, die als Deine Kernthemen auf der Hand liegen, kannst Du sie Dir auch erarbeiten. Spreche mit Menschen aus Deinem Wahlkreis und mit Leuten, die sich in wichtigen Themenbereichen bereits gut auskennen. So kannst Du Dein eigenes Profil schaffen.
3. Sich selbst zu wichtig nehmen
In einem Wahlkampf sollte es um die Wählerinnen und Wähler gehen. Um deren Fragen, Sorgen, Nöte, Wünsche und Bedürfnisse. Und welche Ideen und Antworten es darauf gibt. Stattdessen reden viele Kandidat:innen hauptsächlich über sich selbst. Die Wichtigste Botschaft im Wahlkampf ist dann oft, „schaut her, ich mache Wahlkampf“.
Stelle die Menschen, die Du erreichen willst, in den Mittelpunkt – nicht Dich oder Deine Partei. Spreche Themen und Aspekte an, die Deine Wähler:innen beschäftigen und finde Deine Antworten dazu. Dabei kannst Du dann auch viel Persönlichkeit zeigen.
4. Keine Konsequenz
Was ich leider schon erlebt habe: Ich arbeite mit Kandidat:innen eine ausgefeilte Strategie aus. Vom übergreifenden Narrativ und Framing über politische Botschaften bis zu einem ganz genauen Kampagnenplan. Und am Ende passiert: Nichts. Das passiert auch bei vielen anderen Kandidierenden immer wieder. Ohne konsequente Umsetzung bringt die beste Strategie und Vorbereitung nichts.
Planungen müssen eingehalten werden, sollte es nicht gravierende Entwicklungen geben, die dem entgegenstehen. Und vorher konzipierte Bilder und Erzählungen sollten genau so überall eingewoben werden. So baust Du ein klares Profil auf und die Menschen merken, warum sie Dich wählen sollten.
5. Mangelnder Fleiß, keine Disziplin
Frank Stauss hat es einmal einen “Höllenritt” genannt. Wahlkampf macht unglaublich viel Arbeit. Wie sagt man so schön: Blut, Schweiß, Tränen. Mitglieder von Wahlkampfteams und gar die Kandidat:innen selbst, die aber meinen, in der heißen Phase des Wahlkampfes noch in den Urlaub fahren zu müssen – nun ja. Ein Wahlkampf, in dem nicht sehr konzentriert und diszipliniert gearbeitet wird und bei dem nicht alle mit ganzer Kraft das Beste geben, kann kaum erfolgreich sein.
Tanke am besten bereits deutlich vor der heißen Phase des Wahlkampfes genug Kraft, dass Du diese Zeit durchhalten kannst. Die drei Monate vor der Wahl gilt dann aber absolute Urlaubssperre.
6. Falsche Prioritäten
Zeit und Geld sind in jedem Wahlkampf Mangelware. Umso schlimmer ist es, wenn die begrenzten Ressourcen dann auch noch völlig falsch eingesetzt werden. Du hast kein Geld für Online-Werbung, gibst aber hunderte Euro für Kugelschreiber oder gar die Anzeige im örtlichen Käseblatt aus? Ohje. Du hast keine Zeit, Inhalte zu produzieren und Kommentare in den Social Networks zu beantworten – investierst aber jeden Tag einige Stunden in Infostände, bei denen Du dann nur mit den eigenen Leuten sprichst? Du merkst selbst, dass das problematisch ist, oder?
Analysiere genau den Kosten-Nutzen-Faktor jeder Maßnahme und setze danach Deine Prioritäten. Dabei musst Du manchmal auch harte Entscheidungen treffen.
7. Keine Teamarbeit
Der oft schwerwiegendste Grund ganz zum Schluss. Jeder Wahlkampf benötigt ein Wahlkampfteam. Kandidat:innen, die völlig allein gelassen werden und einige wenige Ehrenamtler, bei denen alles hängen bleibt, sind leider fast schon Alltag. Wie soll das funktionieren?
Unterstützt Euch gegenseitig, packt mit an, wo immer es geht – und helft Euch auch mental und seelisch. Denn Wahlkampf ist auch auf diese Art eine große Belastung. Nur gemeinsam werdet Ihr erfolgreich sein!
Verlorene Wahl? Häufig sind wir auch selbst schuld.
Es ist bitter, eine Wahl zu verlieren. Es tut weh und schmerzt. Umso wichtiger ist es, selbstkritisch zu sein und mögliche Gründe schonungslos zu analysieren. Nur dann kann man besser werden. Oft sind es nämlich nicht die Umstände und alle anderen, die an einer Wahlniederlage schuld sind. Sondern wir selbst. Mit der richtigen Strategie, einer konsequenten Umsetzung und viel Fleiß kannst Du aber manchmal das scheinbar Unmögliche möglich machen.